Sonderpreis 2005

Der Sonderpreis der Jury 2005 geht an den Autor und Regisseur Edgar Reitz

Claudia Cippitelli, Geschäftsführerin Robert Geisendörfer Preis, Edgar Reitz

Andreas Schoelzel

Claudia Cippitelli, Geschäftsführerin Robert Geisendörfer Preis, Edgar Reitz

Begründung der Jury

Fortgesetzte Annäherungen an die „Heimat“

Als Edgar Reitz 1979 in seine Heimat zurückkehrte, war das zunächst das Eingeständnis, in der Fremde gescheitert zu sein. Sein bis dahin aufwändigster Film Der Schneider von Ulm war von der Kritik vernichtet worden; fünf Jahre später kehrte Edgar Reitz aus dem Hunsrück zurück – mit einer Chronik dieses Landstriches, die inzwischen insgesamt rund 50 Filmstunden umfasst, einen Erzählbogen von achtzig Jahren aufspannt und in ihrer erzählerischen Bedeutung für die Bundesrepublik und ihr Fernsehen bis heute unerreicht ist.

Heimat erzählte sein „Requiem der kleinen Leute“ (ZEIT) im Fernsehen, dem Kino der kleinen Leute. Zehn Millionen Zuschauer verfolgten gebannt, wie die Schabbacher im Schatten der großen politischen Veränderungen ihr individuelles Glück machen mussten; dabei hatte Reitz, der Cineast und Mitunterzeichner des Oberhausener Manifests, seinem Publikum das Sperrige seiner Filmerzählung keineswegs erspart: die unerwarteten Wechsel zwischen Farbe und Schwarzweiß, die epischen Erzählbögen, das übergroße Personal – Heimat war und blieb im Mainstream-Medium Fernsehen ein Brocken. Dass dies über Die zweite Heimat bis hin zu Heimat 3 so blieb, zeigt Edgar Reitzs großen Gestaltungswillen; dass er sich trotz aller Beharrlichkeit den veränderten Sehgewohnheiten des modernen Formatfernsehens doch stellte – die Erzählzeiträume wurden überschaubarer, die Episoden in sich abgeschlossener, das Personal kleiner – verweist erst recht auf die ästhetische Widerständigkeit dieses Generationenprojektes. Auch wenn die letzte Staffel Heimat 3 im Zielgruppenfernsehen dieser Tage ein deutlich kleineres Publikum fand als die vorangegangenen Trilogieteile, so ist doch die Nachwendegeschichte Heimat 3 das vielleicht größte Wunder: Mit großer emotionaler Eindringlichkeit vermag Edgar Reitz hier über eine Epochenschwelle zu berichten, die für das Publikum ja fast noch als Gegenwart empfunden werden muss und die zudem in ihrer historischen Dimension vom Fernsehen bereits dinglich und emotional komplett ausgeleuchtet wurde. Nach dieser Bilderflut noch einmal die einzelnen und vereinzelten Lebensgeschichten aus den alten und neuen Bundesländern zum tragischen Schlusspunkt einer großen „Familiensaga“ zu vereinigen, zeigt Edgar Reitz als großen Erzähler des deutschen Fernsehens.