Abschnitt 40, Folge: Straßen der Nacht

Autor Christoph Darnstädt und den Regisseur Florian Kern. RTL 2003 (Redaktion: Serie, Produktion: typhoon networks)

Begründung der Jury

Gestorben wird reichlich in deutschen Serienkrimis. Meist ohne viel Aufhebens, gleich am Anfang der Geschichte. Der Tod ist im Krimi eine Ouvertüre, ein Paukenschlag. Als quälend langsam heranschleichender Schlusspunkt eines Lebens kommt er nicht vor. Dass das Sterben ein Prozess des Abschiednehmens ist, steht im Mittelpunkt einer Folge der RTL-Krimiserie Abschnitt 40: Zwei Streifenpolizisten werden zu einem schweren Autounfall in einen Tunnel gerufen. Während der eine Beamte die Unfallstelle sichert, bittet die Notärztin den jungen Polizisten Ulf, sich mit dem schwerverletzten Geschäftsmann Barlog zu unterhalten, damit er nicht ins Koma fällt. Zunächst nur widerwillig erfüllt Ulf dieser Aufgabe, aber im Laufe der Nacht wird aus der Pflicht eine Gewissenssache, aus der Zwiesprache eine Sterbebegleitung.

Nicht zufällig verlegt Christoph Darnstädt seine Geschichte in einen Tunnel, der vorübergehend für den Fahrzeugverkehr gesperrt ist. Die Abgeschiedenheit vom übrigen Leben ist Teil der besonderen Situation, die „Straßen der Nacht“ mit großer Einfühlung erzählt. Wer zufällig an diesem Ort zugegen ist, wird vor eine Herausforderung gestellt: Da ist die Notärztin, die helfen möchte, aber nur noch entscheiden kann, wo der Schwerverletzte verbluten wird: im Auto oder auf ihrer Trage, bei dem aussichtslosen Versuch, den Verletzten noch in ein Krankenhaus zu bringen. Da ist Barlogs Sohn: Mit Blaulicht bringt ihn die Polizei an den Unfallort; aber selbst im Angesicht des Todes kann das längst erwachsene Scheidungskind seinem Vater dessen Fortgehen nicht verzeihen. Und da ist Ulf, den die Situation schmerzhaft an seinen eigenen toten Vater erinnert und der dennoch an die Stelle tritt, die Barlogs Sohn nicht einnehmen kann.

Die große Tragik der Situation wird ohne jedes falsche Pathos erzählt; dazu hat gleichermaßen Regisseur Florian Kern beigetragen. Mit seiner selbstbewusst schlichten Inszenierung hat er jeder Versuchung widerstanden, die Dramatik ins Reißerische zu überhöhen. Erwähnt werden soll auch eine Kameraführung, die sich jeden Voyeurismus verbietet, und ein Schnitt, der stilistisch zwischen der Hektik der Rettungsmaßnahme und dem Innehalten im Angesicht des Todes differenziert. Dass diese stille, anspruchsvolle Form des Serienkrimis durchaus mehrheitsfähig ist – wie die Einschaltquoten beweisen – , freut die Jury des Geisendörfer Preises besonders.