Zeit ohne Eltern

Autorin und Regisseurin Celia Rothmund. ZDF/3sat/Kunsthochschule für Medien Köln 2006 (Redaktion: PB Spielfilm/Filmredaktion 3sat)

Begründung der Jury

Ihre Eltern waren keine Verbrecher. Keine Diebe, keine Mörder, sondern friedfertige Bürger, bekennende Pazifisten. Niemals, da war sich die zehnjährige Franziska sicher, würden ihre Eltern deshalb ins Gefängnis kommen. Dann aber klingelte 1984 doch die Staatspolizei an der Tür. Das Verbrechen der Eltern: ihr Ausreiseantrag. Die Strafe des Systems: 15 Monate Gefängnis.

Auch Janas Eltern wollten 1982 ihrem Staat den Rücken kehren. Der Fluchtversuch über die grüne Grenze endete kläglich am tschechischen Grenzzaun. Der Staat, für den Janas Vater zuvor als Mitarbeiter der Staatssicherheit gearbeitet hatte, antwortete mit unerbittlicher Härte: Die Ehe wurde geschieden, Jana und ihr kleiner Bruder in einem staatlichen Heim untergebracht. Ohne Erklärung. Ohne Kontakt zu den Eltern. Als die inzwischen Zwölfjährige ihre Mutter nach eineinhalb Jahren wiedersieht, will ihr das vertraute „Du“ nicht mehr über die Lippen kommen. „Es war eben“, so sagt sie, „alles kaputt.“

Konzentriert auf diese beiden Schicksale, die durchaus keine Einzelschicksale sind, zeigt Celia Rothmund in ihrem Interviewfilm, wie die DDR millionenfach Familien systematisch zerstörte. Dabei verlässt sich die Filmemacherin ganz auf die Kraft ihrer Protagonistinnen. Souverän positioniert sie sich und ihre Kamera am rechten Ort zwischen professioneller Distanz und einfühlsamer Nähe. So dürfen die Tränen der Töchter in ihren Worten eingeschlossen bleiben. Und werden in diesem Film doch für uns sichtbar gemacht.