Polizeiruf 110 – Rosis Baby

Regisseur Andreas Kleinert und Autoren Alex Buresch und Matthias Pacht. BR 2008 (Redaktion: Fernsehfilm)

Ulrich Fischer, Matthias Pacht, Bettina Reitz, Leiterin Fernsehspiel BR

Sebastian Willnow

Ulrich Fischer, Matthias Pacht, Bettina Reitz, Leiterin Fernsehspiel BR

Begründung der Jury

Nicht nur in der Literaturszene, auch unter den verschiedenen Genres von Fernsehfilmen hat sich in den letzten Jahren der Krimi zu einem Format gemausert, in dem die großen Lebensfragen, wenn auch nicht beantwortet, so doch nachdrücklich gestellt werden. Wer ist eigentlich behindert? Ist der einarmige, tendenziell depressive, sozial überwiegend unverträgliche Kommissar Tauber behindert – gewohnt genial von Edgar Selge gegeben - oder Rosi (eindrücklich gespielt von Juliane Götze), die mit dem Down- Syndrom geboren ist, aber: ein Herz hat wie ein Ozean und einen Willen wie der Mount Everest. Rosi ist schwanger und sie will ihr Kind behalten. Ihre Mutter, der getrennt lebende Vater, kurz, die gesamte Umwelt von Rosi will genau das nicht. Darüber kommt es zum Streit, zu einem Mord und das Münchner Ermittlerteam (May/Selge) begibt sich mit allen Vorurteilen im Gepäck in das unbekannte Leben der sogenannten Gehandicapten. Rosi wird am Ende ihr Baby nicht behalten, sie wird getäuscht und verraten von denen, denen sie am meisten vertraut.

Die Zuschauer haben dabei einen ungeschönten Einblick gewonnen in die Minenlandschaft der Konflikte, denen in unserer normierten Gesellschaft Menschen ausgesetzt sind, die ein behindertes Kind in der Familie haben. Sie haben Fremdheit und Bewunderung gespürt gegenüber diesem etwas anderen Leben. Sie haben am Beispiel der Ermittler alle Varianten der Unbeholfenheit im Umgang mit Behinderten erlebt, und die Frage, wer eigentlich behindert ist, hat viele Schattierungen erhalten.

Dies verdanken wir einem sensiblen, hochinformierten Drehbuch und einer grandiosen Regie und Schauspielerführung, der es gelungen ist, den „behinderten“ Alltag mit gehandicapten Laienschauspielern in eine spannende Dramaturgie zu fügen. Und sensiblen Schauspielern, die uns Zuschauer spielerisch mitnehmen auf einen Erfahrungsweg, an dessen Ende wir um einige Zugänge reicher und um einige Vorurteile ärmer sind. Und Dilemmata erforscht haben, die uns mit der Frage zurücklassen, wer eigentlich zu unserer Menschengesellschaft gehört und wer nicht und wer sich anmaßen darf, das zu entscheiden.