Die Schauspielerin, Kabarettistin und Sängerin Maren Kroymann erhält den Sonderpreis der Jury des Robert Geisendörfer Preises 2025. Die Jury unter dem neuen Vorsitz von Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst würdigt mit der Auszeichnung das jahrzehntelange künstlerische Wirken einer außergewöhnlichen Frau, die mit Mut, Scharfsinn und Humor Maßstäbe in der deutschen Medienlandschaft gesetzt hat.
Sehr geehrte Kirchenpräsidentin Wüst,
Sehr geehrter Intendant Lünenborg,
liebe Maren!
eigentlich haben wir ja gerade schon alles gesehen, das dich hierherbringt: Dein berufliches Leben in 2 min – so ist Fernsehen! – in Pointen – so ist KROYMANN – in Aufrichtigkeit – so bist Du.
Was jetzt also über diese Frau noch sagen, die in den letzten Jahren praktisch jeden anständigen Preis für ihr Lebenswerk bereits gewonnen hat – und nun auch noch den Medienpreis der Evangelischen Kirche.
Lieber, als alles noch einmal aufzuzählen, was wir gerade gesehen haben – Dein komödiantisches Talent, Deine Klugheit, mit der Du auf aktuelle Themen reagierst – Deine Lust an Verkleidung, am Singen, am Vorangehen – wichtiger, als alles das noch einmal aufzuzählen, scheint mir zu sein, uns alle daran zu erinnern, wofür du kämpft, was auf dem Spiel steht – warum du noch lange nicht in den Ruhestand gehen kannst.
Ich bin ein Babyboomer aus Westdeutschland. Ich wurde in der Schule gefühlt alle zwei Jahre aufgeklärt – über den Holocaust und die Freuden der selbstbestimmten Sexualität. Schuljahr für Schuljahr wurde uns versichert: Nie wieder würde es Krieg geben. Nie wieder würden wir vergessen, dass alle Menschen gleich sind. Und nie wieder würden wir zurückfallen in eine Gesellschaft, in der Mutti kein eigenes Geld hat, weil nur Vati arbeiten darf.
Ich habe das geglaubt. Schließlich hat mir das meine Lieblingslehrerin Frau Schütt versprochen – übrigens die Ehefrau unseres evangelischen Pfarrers.
Die Mahnung älterer Feministinnen der Generation „Alice Schwarzer“ haben wir immer etwas belächelt. Backlash? Ging doch alles in den 1980er Jahren! Studium, Beruf, Karriere: alles nur eine Frage des Wollens. Oder vielleicht doch nicht?
Als du, liebe Maren, 1993 dein Coming out im Stern hattest, arbeitete ich bei der taz, wo es quasi zum guten Ton gehört, anders als die anderen zu sein. Hätte ich als Lesbe zu dieser Zeit auch bei der FAZ arbeiten können? Ich habe mich das damals nicht gefragt.
Kann man jenseits des gebärfähigen Alters eine Schauspielkarriere abseits der Comedy machen? Das ist eine Frage, die du gemeinsam mit Kolleginnen wie Gesine Cukrowski oder Michaela May in der KROYMANN-Folge „Ist die noch gut?“ gestellt hast. Und die Antworten sind hier wie dort doch etwas bitter.
Wir müssen zugeben: Ganz so leicht, wie wir uns das mit der Gleichberechtigung und der Diversität vorgestellt haben, wurde es dann doch nicht. Außer in den letzten fünf woken Jahren. „Queer sein“ war da plötzlich sogar in Heterokreisen schick. Da habe ich kurz gedacht: Frau Schütt hatte doch Recht. Hat halt nur etwas länger gedauert.
Aber jetzt ist Backlash da – und zwar heftiger und gewalttätiger als Frau Schütt und ich es uns je vorgestellt hätten.
Als ich gefragt wurde, ob ich Dich heute hier loben wollen würde, sauste gerade ein Clip durch mein Insta-Feed. Der US-Late-Night-Talker Stephen Colbert feiert Kamela Harris dafür, dass sie im Fernsehduell mit Donald Trump praktisch alles vorhergesagt hat, was die Trump-Regierung sofort nach der Wahl umsetzte: Die Verfolgung politischer Feinde, das Ignorieren von Gerichten und Gesetzen, die Kürzung der medizinischen Versorgung, die Steuervorteile für die Reichen, etc., etc., etc. „Sie haben Recht“, antwortet Harris, „ich habe vieles vorhergesagt. Aber was ich nicht vorhergesehen habe, ist die Kapitulation davor. Das habe ich nicht kommen gesehen.“
Tatsächlich sehen wir derzeit mit Schrecken, wie eine gewählte Regierung eine bisher stabile Demokratie Stück für Stück abbaut. Wir sehen, wie das Verbreiten von Angst wirkt. Wie sich Menschen aus dieser toxischen Öffentlichkeit – online wie sozial - zurückziehen, wie sie vorsichtig werden, oder wenn sie es nicht werden, wie FBI Direktor James Comey, gefeuert und vor Gericht gestellt werden. Wer es sich leisten kann, zieht weg. Aber wohin ziehen die Armen? Wer schützt die ungewollt Schwangeren vor dem Bible Belt? Wo verstecken sich die Transgender-People in der hetero-normativen Masse?
Meine Grundschullehrerin hatte nicht recht. Alles kann wieder kommen, schneller als wir denken – auch hier in Europa, auch hier in Deutschland. Denn es ist unwahrscheinlich, dass wir noch Frauenrechte haben, wenn wir keine Demokratie mehr haben.
Sie fragen sich jetzt vielleicht: Warum spricht sie nicht über Fernsehen, sondern über die Autokratie in den USA? Sollte es hier nicht um Maren Kroymanns Verdienste gehen? Ja, soll es. Und tut es!
Weil, das, liebe Maren, vielleicht dein größtes Verdienst ist: Du kämpfst seit mehr als vier Jahrzehnten für Meinungsfreiheit und Gleichberechtigung und zwar „mit Mut, Scharfsinn und Humor!“, wie Kirchenpräsidentin Wüst es in ihrer Preisbegründung formuliert.
Du hast für Deine Sache, die auch meine Sache ist, Rückschläge in deiner Karriere in Kauf genommen. Du hast immer wieder jüngeren Generationen von Frauen Türen geöffnet, ihnen beigestanden, auch mal ironische Widerworte gegeben. Das ist vorbildlich, preiswürdig, nachahmenswert. Wir alle brauchen das, brauchen dich!
Danke Maren - auch dafür, dass du nicht ins Dschungelcamp gehst.