ANN-KATHRIN CANJÉ (Autorin), SOPHIE RAUCH (Autorin), CHARLOTTE WITT (Autorin), Mitteldeutscher Rundfunk
Begründung der Jury:
Unangepasst zu sein – das kann Ansehen bringen: Kritische Geister, kreative Köpfe sind unangepasst. Im System der DDR war Unangepasstheit ein Makel, den es zu beseitigen galt.
Der Podcast „Diagnose: Unangepasst“ erzählt eindrücklich von einer dieser Beseitigungsmaßnahmen in der ehemaligen DDR: Vom „Albtraum“, zu dem geschlossene venerologische Klinikstationen, die sogenannten „Tripperburgen“, für Tausende Mädchen und junge Frauen wurden, die als unangepasst galten: faul, nicht sozialistisch, angeblich mit Geschlechtskrankheiten infiziert.
Tripperburgen – nie gehört? Kein Wunder. Viel zu lange war fast nichts davon bekannt. Darum ist es so verdienstvoll, dass die Autorinnen Charlotte Witt, Ann-Kathrin Canjé – die beiden sind auch Hosts – und Sophie Rauch, unterstützt vom MDR, diese dunkle, brutale Seite der DDR-Geschichte öffentlich machen. Engagiert. Wissenschaftlich sorgfältig. Und sehr sensibel in den Interviews: mit drei Frauen, deren Erinnerungen kaum jemanden interessierten, aber ihr eigenes Leben bitter geprägt haben. Der Podcast schafft die schmale Gratwanderung, die gynäkologischen Zwangsuntersuchungen, die sexualisierte und psychische Gewalt weder weichgespült noch voyeuristisch zu schildern. Was dazu beiträgt, ist neben dem bemerkenswerten Storytelling auch großartiges Musictelling, ein innovatives klassisch-elektrisches Sounddesign des MDR.
„Diagnose: Unangepasst“ erzählt ein verdrängtes Stück deutscher Vergangenheit und spricht gerade so in die Gegenwart und hoffentlich auch in die Zukunft hinein. Der Podcast mahnt an, die Brutalität, das Unrecht des DDR-Regimes im Gedächtnis und den kostbaren Schatz unserer Demokratie in Händen zu halten.
Der Robert Geisendörfer Preis 2025 für den besten Podcast geht an Charlotte Witt, Ann-Kathrin Canjé und Sophie Rauch für „Diagnose: Unangepasst. Der Albtraum Tripperburg“.