Nörgeln auf hohem Niveau
In der Kategorie "Kindermedien" des Robert Geisendörfer Preises gingen die Preise in diesem Jahr an Ralf Kukula und Matthias Bruhn als Initiatoren des Kika-Projekts "Fritzi und Sophie" sowie Antonia Simm und Tobias Krell für den "Krebs-Check" aus der BR-Reihe "Checker Robi". Die evangelischen Medienpreise, die am 1. Oktober in Hamburg verliehen wurden, sind mit jeweils 5.000 Euro dotiert. Tilmann Gangloff berichtet aus der Jury Kindermedien, in der Pfarrer Udo Hahn, Direktor der Evangelischen Akademie Tutzing, den Vorsitz hatte.
epd. Stell’ dir vor, du bekommst einen Preis, und keiner kriegt’s mit, nicht mal du selbst. Absurd? In der Tat; aber manchmal sind auch die Wege einer Preisfindung unergründlich. Selten hat es in der gut zwanzigjährigen Geschichte des Robert Geisendörfer Preises für Kinderfernsehen (heute Kindermedien) ein derart einhelliges Meinungsbild gegeben: Das federführend vom MDR verantwortete ARD-Projekt „Fritzi und Sophie“, bestehend aus einer Animationsserie auf Basis des 2019 gestarteten Kinofilms „Fritzi – Eine Wendewundergeschichte“ sowie einer entsprechenden Doku-Reihe („Auf Fritzis Spuren – Wie war das so in der DDR?“), hat ohne jeden Zweifel eine Auszeichnung verdient, und zwar unbedingt als „Paketlösung“, die beide Produktionen berücksichtigt.
Damit hätte einer der beiden Preisträger theoretisch schon früh festgestanden, doch dann kam eine Idee auf Spiel, die eine gänzlich neue Dynamik ins Procedere brachte: Seit dem Jahr 2000 würdigt die Jury „Allgemeine Programme“ exemplarische publizistische- oder künstlerische Leistungen mit einem Sonderpreis. Diese Auszeichnung ist noch nie an eine Persönlichkeit oder eine Produktion aus dem Bereich Kinderfernsehen vergeben worden. „Fritzi und Sophie“ (maßgebliche Initiatoren: Ralf Kukula und Matthias Bruhn) wäre nach Ansicht der Jury für Kindermedien ein mehr als geeigneter Kandidat gewesen.
Schon allein die Idee, Zeitgeschichte mit Hilfe der Figuren aus der Serie zu erzählen, ist grandios: Tauchen in einer Dokumentation Sachverständige auf, ist die Zielgruppe in der Regel raus. Selbst wenn die Erwachsenen über Themen sprechen, die auch Kinder angehen: „Talking Heads“ sind Erwachsenenfernsehen. Die Animation lässt die Zielgruppe, die im Grundschulalter noch keine Vorstellung von „Geschichte“ hat, jedoch umgehend andocken, zumal es nicht nur um Reisefreiheit und Bürgerrechte, sondern beispielsweise auch um Umweltschutz geht. Die Jury empfand die Doku-Serie als „innovativsten und mutigsten Beitrag“ dieses Jahrgangs.
Herzstück des Projekts ist jedoch „Fritzi und Sophie – Grenzenlose Freundschaft“ (MDR, WDR, SWR). Als Vorlage diente der Autorin Beate Völcker wie auch schon bei ihrem Drehbuch zum Kinofilm Hanna Schotts Buch „Fritzi war dabei“, Regie führten Ralf Kukula, Matthias Bruhn und Thomas Meyer-Hermann (alle auch Produktion). In der Geschichte erfährt die zwölfjährige Leipzigerin Fritzi, dass ihre beste Freundin Sophie im Sommer 1989 mit der Mutter über Ungarn geflohen ist; den geliebten Hund musste sie zurücklassen. Die Serie schildert die Flucht und Sophies Heimweh; die Geflüchteten werden im Westen nicht gerade mit offenen Armen empfangen. Fritzis Versuch, Sophie den Hund zu bringen, endet an der Grenze; und dann beginnen die Montagsdemonstrationen.
Aus Sicht der Jury ist die achtteilige Serie eine mehr als stimmige Erweiterung des Kinofilms; sie beeindrucke neben der international konkurrenzfähigen Qualität der Animation vor allem durch Realismus und Detailreichtum. Darüber hinaus stelle sie eine gerade in der heutigen Zeit, da die DDR mehr und mehr verklärt werde, überaus wichtige Aufklärung dar. Trotz der kindgeeigneten, freundlichen Stilistik werde zum Beispiel die beklemmende Atmosphäre an der Grenze spürbar. Dank der Erlebnisse Sophies im Westen erhielten abstrakte und komplexe Themen wie Flucht und Heimatlosigkeit eine greifbare, aktuelle Dimension. Die beiden Hauptfiguren böten zudem viele Anregungen zum Nachdenken, weil sich die Kinder unwillkürlich fragten: „Wie wär’s mir an ihrer Stelle ergangen?“ Ungewöhnlich sei auch der Verzicht auf in sich abgeschlossene Episodenhandlungen, wie sie bei Animationen international üblich sind.
Es gab zwar auch leise Kritik, die jedoch umgehend als Nörgelei auf hohem Niveau relativiert wurde: Angesichts der liebevoll gestalteten Hintergründe, die den DDR-Alltag anschaulich illustrierten, falle die minimalistische Figurenanimation umso stärker auf, zumal sie der Emotionalität spürbar Grenzen setzte. Die Musik sei mitunter allzu dramatisch, Service-Dialoge beschrieben die politischen Zusammenhänge oft zu lehrbuchhaft. Trotzdem gelinge es der Serie, „ein wichtiges Kapitel deutsch-deutscher Geschichte bereits für eine Zielgruppe im Grundschulalter verständlich zu erzählen und dabei Empathie für die Themen Flucht, Mut und Freundschaft zu wecken.“ Darüber hinaus sei den drei Produzenten eine „All Age“-Serie gelungen, die Kinder und Erwachsene gleichermaßen anspricht; das gelinge gerade im Zeichentrickbereich nur selten. Mit Balance Film (Dresden), TrickStudio Lutterbeck (Köln) und Studio Film Bilder (Stuttgart) ist das Projekt zudem gesamtdeutsch produziert.
Kukula war als Produzent mit seiner Firma Balance Film auch für den vom MDR als „Animadok-Serie“ bezeichneten zweiten Teil des Pakets verantwortlich, „Auf Fritzis Spuren – Wie war das so in der DDR?“, diesmal mit Andrea Gentsch als Koautorin und -regisseurin. Die Jury fremdelte zwar zunächst mit der Kika-obligaten notorischen Aufgeregtheit des Moderationsduos, war aber alsbald sehr angetan vom Konzept: Anna Shirin Habedank und Julian Jannssen reisen als Trickfiguren im „Fritzi“-Stil in die Vergangenheit und erleben die Begleitumstände der friedlichen Revolution auf diese Weise quasi hautnah. Die sechsteilige Reihe richtet sich an etwas ältere Kinder und hat auch Erwachsenen viel zu geben, zumal Gentsch und Kukula bei ihrer Archivrecherche sichtlich den Wunsch hatten, nicht zum x-ten Mal die gleichen Bilder zu zeigen. Die Menschen, die aus erster Hand über ihre Erlebnisse berichten, sind ebenfalls ausgezeichnet ausgewählt. Auch hier gab es kleine kritische Anmerkungen: Das Tempo sei mitunter etwas hektisch, zumal die häufigen Rückbezüge auf die Animationsserie den Erzählfluss fragmentierten, aber die ästhetischen Elemente griffen überzeugend ineinander und schafften „einen wunderschönen Resonanzraum, in dem die historischen Ereignisse und Orte lebendig wurden.“ Positiv hervorgehoben wurde „der stimmige Bogen zur aktuellen Lage und die Notwendigkeit von politischem Engagement.“
Beim zunächst nur hypothetischen ersten Preisträger herrschte also große Einmütigkeit. Beim zweiten, der Ausgabe „Krebs-Check“ aus der BR-Reihe „Checker Tobi“, war das nicht anders: Der Sendung gelinge eine vorbildliche „Balance zwischen kindgerechter Anschaulichkeit und inhaltlicher Tiefe“. Einfühlsam, informativ und anschaulich werde stets der richtige Ton getroffen; „ein hochwertiger Wissens-Beitrag, der komplexe Medizin verständlich und empathisch vermittelt.“ Das schwierige Thema werde sympathisch und mit Humor, komprimiert, sachlich und ohne Verharmlosung oder Betulichkeit erklärt – „eine beachtliche Leistung für die Grundschulzielgruppe“, zumal Erwachsene nur unterstützend am Rande auftreten. Das besondere Plus dieser Ausgabe sei die Hoffnung, die sie wecke, gerade durch Tobias Krells Begegnung mit einem neunjährigen Mädchen, das Knochenkrebs hat; die kleine Patientin entpuppt sich dank ihrer pragmatisch-optimistischen Art als echter Glücksgriff.
Die Reihe hat schon einmal einen Geisendörfer-Preis bekommen (2017 für den „Leben- und Sterben-Check“). Anders als damals geht die Auszeichnung diesmal nicht nur an Buch und Regie (Antonia Simm), sondern auch an den Moderator, weil Krell ein nahezu perfektes Zusammenspiel zwei seiner wichtigsten Talente gelingt: Einerseits lebt er die gerade fürs Kinderfernsehen immer wieder geforderte Augenhöhe, indem er den Kindern Raum lässt, damit sie von sich erzählen; auf diese Weise vermeidet die Sendung das bei solchen Themen oftmals „typische Betroffenheitsgefälle“. Andererseits beweist Krell beispielsweise im Dialog mit einem Zeichentrickkrebs auch seine schauspielerischen Fähigkeiten. Dank der klugen Dosierung wirken diese Momente nie albern. Insgesamt, lobte die Jury, finde die Sendung so ein gutes Gleichgewicht. Die Krankheit werde nicht verharmlost, aber es würden auch keine Ängste geschürt, weil klar werde: Krebs führt nicht automatisch zum Tod. Mehrere hoffnungsvolle Geschichten spannten im Gegenteil „einen emotional einleuchtenden Bogen, der mit einer konkreten Handlungsoption“ sinnvoll abgerundet werde: Krell spendet Stammzellen.
Damit hätte die diesjährige Sitzung in Rekordzeit zu Ende sein können, aber natürlich gab es noch weitere Produktionen, die als preiswürdig erachtet und daher angemessen besprochen wurden. Außerdem galt es ja, einen etwaigen Ersatz für „Fritzi und Sophie“ zu finden. Insgesamt wurden neun Kandidaten (bei 25 bewerteten Einreichungen) für preiswürdig erachtet; es hat schon schlechtere Jahrgänge gegeben. Die Gesamtqualität wurde ohnehin als recht gut befunden; Themen wie Tod, Verlust, Armut, Krankheit und „Mental Health“ verdeutlichen, dass die einreichenden Sender verstanden haben, worum’s beim Geisendörfer-Preis geht. Bedauerlich ist allerdings die Fortsetzung eines Trends der letzten Jahre: Es werden immer weniger fiktionale Filme und Serien produziert.
Zu den ausführlich diskutierten Beiträgen gehörte unter anderem ein Beitrag Marco Giacopuzzis für die Kika-Reihe „Schau in meine Welt!“. Der Schweizer ist in nahezu jedem Jahr vertreten. Seine Arbeiten sind stets sehenswert, zumal er oft besondere Kinder porträtiert. Die Dokumentation „Heavy Metal Dreams“ (HR) begleitet zwei Zwölfjährige, die ihren musikalischen Traum leben. Die ersten Reaktionen waren durchweg positiv: „tolles Porträt zweier begabter Jungen auf der Kippe zwischen Kindheit und Erwachsenwerden“, „sehr schön, dass man fast exemplarisch sieht, wie auch mit Hilfe guter Lehrer Kreativität entsteht“. Außerdem werde anschaulich und nachvollziehbar dokumentiert, dass Kunst zwar schön, aber auch viel Arbeit sei. Die Reportage lasse zudem „unmittelbar spüren, welche Kraft die Musik den Jungs verleiht.“ Handwerklich bewegt sich Geisendörfer-Preisträger Giacopuzzi (2017, „Jons Welt“, über einen zwölfjährigen Autisten) zuverlässig auf hohem Niveau; das gilt hier nicht zuletzt für eine lebendige Kamera, die den Protagonisten nahe kommt, ohne sie zu bedrängen.
Dass die Heavy-Metal-Träume in der Jury letztlich keine Mehrheit fanden, hatte andere Gründe, die schon mit dem Titel beginnen: Die Jungs bezeichnen sich als Metal-Fans, spielen aber klassischen Gitarren-Rock. Zudem wurde dem Film neben einem gewissen Mangel an Leidenschaft sowie den fehlenden Antworten auf naheliegende Fragen (Was ist das Besondere daran, in einer Band zu spielen?) auch mangelnde Transparenz vorgehalten: Für ein erwachsenes Publikum ist offenkundig, dass es sich bei der Cover-Band um ein Musikschulprojekt handelt; das Quartett hat sich nicht gesucht und gefunden, sondern ist vermutlich zusammengestellt worden. Zentrales Thema soll die Arbeit am ersten eigenen Song sein, doch Giacopuzzi zeigt die vier viel zu selten gemeinsam.
Weitaus berührender war ohnehin eine Ausgabe der „Sendung mit dem Elefanten“ (Redaktion: Heike Sistig), die kein Jurymitglied kalt gelassen hat: Es geht um Angst. In einer herzzerreißenden Szene überwindet ein kleiner Junge den Tränen nahe seine Furcht, auf einem großen Gymnastikball zu balancieren. Die Ausgabe ist Teil einer fünfteiligen Reihe über Gefühle (des Weiteren Wut, Trauer, Freude und Liebe). Die passenden Bilder hat Markus Tomsche in einer Kölner Kita gefilmt. Mitunter wirken diese Aufnahmen fast schon indiskret, weil die Emotionen der Kinder ungefiltert und authentisch sind. Die „Wut“-Episode wurde entsprechend kritisiert, aber der WDR hatte ohnehin nicht die ganze Reihe, sondern nur „Angst“ eingereicht. Die Sendung, lobte die Jury, „bringt das angstbeladene Thema so freundlich rüber, dass sich niemand ängstigen muss, sondern sogar mutiger wird.“ Das sei klug und einfühlsam gemacht, „die Pädagogik wirkt nicht schwer, sondern bleibt unterhaltsam.“ Mit spürbarer Ernsthaftigkeit und zugleich kindgerechtem Humor zeige das „Special“, dass Angst ein normales Gefühl sei und Hilfeholen Stärke bedeuten könne. Hervorzuheben sei die klare Botschaft, „dass sich Mut erst im Zulassen der Angst entfaltet.“ Kritik gab es allerdings an den von Kindern eingesprochenen Texten, die hörbar nicht von ihnen selbst stammen. Insgesamt jedoch „ein herausragend komponiertes Ensemble aus Spaß und Empathie, das emotionale Kompetenz vorbildlich vermittelt.“
Die „Sendung mit dem Elefanten“ ist ebenfalls regelmäßig im Kontingent vertreten und bereits zweimal mit einem Geisendörfer-Preis gewürdigt worden (2015 für ein „Freundschafts-Special“, 2018 für „Planet Willi“ über einen Jungen mit dem Gendefekt Trisomie 21). Dass es diesmal nicht gereicht hat, lag an zwei Hörspielen, die von der Jury als noch besser eingestuft wurden. „Wolkenschuhe für Malo“ (RBB, Buch: Andrea Behnke, Regie: Robert Schoen) erzählt eine mit viel Empathie geschriebene und sehr ansprechend vorgelesene Geschichte über ein Dasein am Rande der Armutsgrenze: Ein Junge braucht neue Turnschuhe, doch seit sich seine Eltern getrennt haben, kann sich seine Mutter keinerlei Extraausgaben mehr leisten; es reicht nur für billige Imitate. Als Malo deswegen gehänselt wird, versucht er, die Schuhe zu „verschönern“, was prompt schiefgeht; jetzt muss er die alten Treter tragen, aus denen er längst rausgewachsen ist.
Das Hörspiel, lobte die Jury, „übersetzt ein scheinbar kleines Hindernis in eine große Bewährungsprobe und verknüpft kindgerecht Themen wie Mobbing, Lügen und verdeckte Armut.“ Geschichte und Dialoge blieben nah an der Lebenswelt. Gerade die Idee, Kinderarmut am Statussymbol Turnschuh deutlich zu machen, sei ausgezeichnet; zugleich könne jeder nachvollziehen, wie qualvoll es sei, zu kleine Schuhe tragen zu müssen. Besonders überzeugend sei die solidarische Dynamik: „Mehrere Helferfiguren geben Malo das Gefühl, nicht allein zu sein, sodass Freundschaft und Gemeinschaft als zentrale Kräfte spürbar werden.“ Stark kritisiert wurde allerdings der Schluss: Dass sich am Ende alles so schön füge, sei viel zu rosig und nehme der Geschichte die Glaubwürdigkeit. Während ein Tauschhandel – „Dogsitting“ gegen Gitarrenunterricht – als „Win Win“-Situation sehr stimmig sei und zudem zeige, dass sich Probleme auch anders als nur mit Geld lösen ließen, komme eine Sonderzahlung für die Mutter einem typischen „Deus ex machina“-Effekt gleich.
Ungleich kontroverser und im Grunde unversöhnlich wurde dagegen ein zweites Hörspiel diskutiert, „Oma verbuddeln“ (WDR) nach dem im Peter Hammer Verlag erschienenen gleichnamigen Roman von Birgit Schössow. Das Buch ist für Deutschen Jugendliteraturpreis 2025 nominiert (Sparte Kinderbuch) und stand auf der Shortlist des Evangelischen Buchpreises. Die Autorin hat auch das Drehbuch verfasst. Die in zwei Teile à gut fünfzig Minuten aufgeteilte Geschichte handelt von drei Geschwistern, die jeweils zu Beginn furchtbare Schicksalsschläge verkraften müssen: Zum Auftakt kommen beide Eltern bei einem Autounfall ums Leben. Rettung in der Not ist eine Oma, zu der die Kinder bislang kaum Kontakt hatten, aber die alte Frau, eine überaus erfolgreiche Krimiautorin, ist weit mehr als bloß eine Notlösung. Zu Beginn der Fortsetzung stirbt jedoch auch sie.
Was, auf den Inhalt reduziert, nach einer Tragödie klingt, die Eltern ihren Kindern keinesfalls zumuten wollten, entpuppt sich als zwar angemessen trauriges, aber auch überaus einfallsreich und unterhaltsam dargebotenes Hörspiel, das nicht zuletzt dank der vorzüglichen Sprachleistungen des Ensembles sowie des sorgfältigen Sounddesigns handwerklich höchste Ansprüche erfüllt (Regie: Judith Lorentz). Gerade Teil eins, hieß es, stelle das schwere Thema nachvollziehbar, berührend und klischeefrei dar, gleichzeitig aber dennoch nicht hoffnungslos, weil Zuwendung, Vertrauen, Zusammenhalt und Liebe sichtbar würden. Teil zwei sei jedoch mit Blick auf die Konsistenz der Erzählung ein erheblicher Bruch, weil die Regeln urplötzlich geändert würden: „Eine realistische Welt mit nachvollziehbaren, glaubwürdigen Charakteren und Gefühlen weicht einer skurrilen Kinderfantasie, in der Jugendliche und Erwachsene wie kleine Kinder agieren und sich alle Hindernisse wie von selbst auflösen.“ Nun werde die Handlung bis hin zu einigen absurden Richtungsänderungen zunehmend unglaubwürdig: „Die Zumutungen ans Publikum nehmen kein Ende, denn für alle Probleme gibt es fadenscheinige Lösungen.“ Weil es Schlag auf Schlag gehe, hätten die Kinder zudem keine Zeit für Trauer. Im Grunde sei es fast würdelos, wie hier mit dem Thema Tod umgegangen werde.
Ganz anders klangen dagegen die Befürwortungen: „ein ungewohnt mutiges Stück, das Tod, Trauer und Selbstbestimmung in eine ebenso skurrile wie zutiefst berührende Geschichte verwebt“; „dank natürlicher Schauspielleistungen, pointierter Alltagsdetails und einer fein abgestimmten Musik entfaltet sich ein dichtes Klangbild, das die Schwere des Themas nie verharmlost, sondern empathisch erlebbar macht.“ Die überraschende Wendung im zweiten Teil halte die Spannung hoch und unterstreiche das Plädoyer für individuelle Trauerwege: „insgesamt ein origineller, klug komponierter Hörspielbeitrag, der in Inhalt, Spiel und Atmosphäre weit über Durchschnitt liegt“; „das emotional wahrhaftigste Stück aller Einreichungen“. Größter Pluspunkt sei jedoch mit Blick auf „Empowerment“, Resilienz sowie die Frage, wie man nach einem schrecklichen Ereignis weiterleben kann, die „Schlüsselqualität Selbstwirksamkeit“: Das Hörspiel vermittele die Erkenntnis, dass der Mensch aus sich selbst heraus in der Lage sei, Mittel und Wege zu finden, um mit Herausforderungen zurechtzukommen.
Gerade von den jungen Mitwirkenden ist das in den erwachsenen Rollen prominent besetzte Hörspiel (Hedi Kriegeskotte, Swetlana Schönfeld, Bernhard Schütz) außergewöhnlich gut gesprochen und gespielt, vor allem von Eliot Karow als Erzähler Paul. Wie Schössow dessen Empfindungen in Worte kleidet („Ich fiel immer tiefer, wie durch eine dicke Wolkendecke“), zeugt von großer Empathie. Trotz der scheinbar grotesken Handlungsentwicklung – die Kinder finden überaus unorthodoxe und entsprechend unwahrscheinliche Lösungen für ihre Probleme –, ist die filmreife Geschichte in sich jederzeit plausibel. Humor und Wortwitz rundeten „Oma verbuddeln“ nach Ansicht einer Mehrheit zu einem überaus gelungenen Hörerlebnis ab, das auch für Erwachsene empfehlenswert sei.
Ein entscheidender Punkt, mit dessen Hilfe die Einwände entkräftet werden sollten, lässt sich anhand der Buchvorlage jedoch nicht bestätigen: Einige Jury-Mitglieder betrachteten die Ereignisse als Erfindung des jungen Erzählers; das würde die mitunter märchenhaft anmutenden Richtungswechsel erklären. Allerdings enthalten Geschichten, die zunächst in der Realität angesiedelt sind und dann beispielsweise in eine Welt hinter dem Spiegel oder unterhalb eines Kaninchenbaus wechseln, in der Regel eine „Narnia-Tür“; jenseits dieses Durchgangs sind der Fantasie dann keine Grenzen gesetzt. Paul deutet zwar zwischendurch an, dass er gern Geschichten erzählt, aber weder im Hörspiel noch in Schössows Roman gibt es einen Hinweis darauf, dass er sich die Ereignisse bloß ausgedacht hat; tatsächlich hätten Buch und Hörspiel dadurch wohl auch einen Großteil ihres Charmes verloren. Am Ende blieb die abschließende Abstimmung ohnehin folgenlos, da sich die Hauptjury gegen „Fritzi und Sophie“ entschieden hat.
Infobox
In der Kategorie „Kindermedien“ des Robert Geisendörfer Preises werden Sendungen ausgezeichnet, die laut Statut „das individuelle und soziale Verantwortungsbewusstsein stärken“, „zur gegenseitigen Achtung der Geschlechter und zum guten Miteinander von Einzelnen, Gruppen und Völkern beitragen“ sowie „einen Beitrag zur Überwindung von Gewalt leisten“. Die diesjährigen Preise gehen an Ralf Kukula und Matthias Bruhn (Buch, Regie, Produktion) als Initiatoren des Kika-Projekts „Fritzi und Sophie“ sowie an Antonia Simm (Buch und Regie) und Tobias Krell (Moderation) für den „Krebs-Check“ aus der BR-Reihe „Checker Tobi“. Die Preise sind mit jeweils 5.000 Euro dotiert. Autor Tilmann P. Gangloff ist Mitglied der Jury.