Bericht Kindermedien 2023

Natürlich gibt es objektive Kriterien, mit denen sich eine Preisfindung begründen lässt, und mitunter spielen auch sogenannte preispolitische Aspekte eine Rolle; aber letztlich entscheidet das Herz. Deshalb war die Jury schließlich selbst verblüfft, als die Sieger feststanden. Gewonnen hatten keineswegs zwei jener Favoriten, die nach einer ersten Bewertungsrunde ganz vorn standen, sondern Produktionen, die nicht mal „Fernsehen“ sind: ein Hörspiel und eine Web-Reihe. Damit wurde die Jury erstmals mit beiden Preisen ihrer Umwidmung gerecht: Seit 2021 ist die Kategorie für sämtliche audiovisuellen Beiträge aus dem Bereich Kindermedien offen. 

 

Dass am Ende gewissermaßen das Unterste zuoberst gekehrt wurde, ist in gleich mehrfacher Hinsicht ein schönes Beispiel für lebendige Juryarbeit, die auch mal eine unerwartete Eigendynamik annehmen kann. Die Mitglieder hatten die Einreichungen daheim gesichtet. Beim gemeinsamen Treffen ab 9 Uhr in einem Konferenzraum des ZDF sollten dann nur noch die Preisträger ermittelt werden. Keine schwere Aufgabe, denn im Grunde kamen nur fünf Produktionen in frage, und ein Triumph des klassischen Fernsehens schien gewiss. Auf den vorderen Plätzen lagen lauter Beiträge aus gut eingeführten öffentlich-rechtlichen Marken: „pur+“, „Die Sendung mit der Maus“, „Schau in meine Welt!“; dazu als seltener Vertreter eines Privatsenders eine Ausgabe von „Woozle Goozle“ sowie ein höchst ambitionierter Kurzfilm. Schon kam die Frage auf, wie sich denn nach getaner Tat die Zeit bis zum verabredeten Mittagessen vertreiben ließe, doch dann erstreckte sich die Preisfindung völlig unerwartet bis weit in den Nachmittag; und das, obwohl einer der Preisträger eigentlich schon früh feststand.

 

Zunächst zog die Jury jedoch erst mal ein Fazit, und das fiel ernüchternd aus. Innovation: Fehlanzeige. Animation: eine Einreichung. Fiktion: überschaubar. Redaktioneller Mut: nur in Ansätzen erkennbar. Gesamtqualität: enttäuschend. Dass von insgesamt sechsundzwanzig Nominierungen elf in die engere Wahl kamen, mag wie ein Widerspruch wirken, aber zu den meisten dieser Produktionen gab es berechtigte Einwände; das restliche gute Dutzend war zum Teil schlicht indiskutabel. Das deutsche Kinderfernsehen ist traditionell ohnehin eher brav; das hat in den letzten Jahren eher zu- als abgenommen. Verwunderlich ist das nicht: In unsicheren Zeiten dominiert das Bedürfnis, aufs Bewährte zu setzen. Das Programm, stellte die Jury fest, spiegle eine allgemeine Ratlosigkeit wider. 

 

Immerhin verdeutlichten die von den Sendern eingereichten Wettbewerbsbeiträge, dass sich die Redaktionen zumindest thematisch anspruchsvollen Herausforderungen stellen: In den als preiswürdig erachteten Sendungen ging es um Themen wie Scheidung, Behinderung, Krieg, Depression, Klimakrise, Konflikt in Israel. Das Kontingent ist jedoch natürlich nicht repräsentativ, von der Qualitätsfrage ganz abgesehen. Gerade im Vergleich mit dem Kinderfernsehen etwa aus Norwegen oder den Niederlanden, wo die Redaktionen oft „out of the box“ denken und ihr Publikum zum Nachdenken und Diskutieren anregen wollen, wird den Kindern durch hiesige Produktionen viel zu wenig vermittelt, was sie angesichts der ständigen Krisen am meisten brauchen: Resilienz und Zukunftskompetenz. 

 

Dass ausgerechnet eine Eintagsfliege in dieser Hinsicht als Vorbild dienen könnte, mag zunächst überraschen, zumal die Botschaft „Mach’ das Beste draus“ auch nicht gerade originell klingt, doch „Der schönste Tag im Leben“, ein Hörspiel für die ARD-Kinderradioreihe „Ohrenbär“ und eine der wenigen fiktionalen Produktionen im Kontingent, hat die Jury bewegt und angerührt wie keine andere Einreichung: Fliegerich Summson soll gefälligst tun, was er in der Schule gelernt hat, und für Nachwuchs sorgen, bevor sein Tag vorüber ist. Ihm steht jedoch der Sinn nach Abenteuern, und so wird der einzige Tag seines Daseins auf wundersame Weise auch zu seinem schönsten. Autor Andreas Kaufmann gelingt es, seinem Publikum mit der warmherzigen und lebensklugen Geschichte eine andere Perspektive auf das Leben zu zeigen, zumal das Hörspiel viele „So hab’ ich das noch nicht gesehen“-Momente zu bieten hat und dank vieler kleiner überraschender Elemente diverse Stereotype hinterfragt. Die bezaubernde Geschichte, lobte die Jury, rege die Phantasie an, wecke die Neugier und trage zum guten Zusammenleben von Individuen und Geschlechtern bei. Einen beträchtlichen Anteil an der Wirkung der Erzählung hat die angenehme Stimme des Schauspielers Bernhard Schütz, der Summsons Erlebnisse sehr einfühlsam, aber mit einer Prise Ironie vorträgt (Regie: Angelika Maiworm). Die Jury empfand das Hörspiel als gleichermaßen tiefgründig wie unprätentiös, zumal die Geschichte nicht nur auf unterhaltsame Weise informativ ist, sondern auch zu einer zuversichtlichen Haltung animiert. Wir alle, befand die Jury, „leben im Hier und Jetzt, aber Herausforderungen wie die Klimakrise verlangen, dass wir in viel größeren Dimensionen denken“. Auch dies vermittle das Hörspiel: „So wie bisher kann es nicht weitergehen.“ Trotzdem verbreite „Der schönste Tag im Leben“ Zuversicht: weil die Geschichte verdeutliche, was möglich wäre, selbst man nur einen Tag Zeit hätte. Mit der Auszeichnung lasse sich zudem darauf hinweisen, wie rührig die Kinderredaktionen vieler ARD-Sender auch im Podcast-Bereich sind. 

 

Obwohl die einst noch vom SFB ins Leben gerufene und damals mit dem Titelzusatz „Radiogeschichten für kleine Leute“ versehene RBB-Reihe „Ohrenbär“ bereits seit über 35 Jahren existiert und in dieser Zeit über 12.000 Einzelsendungen entstanden sind, ist die Anzahl der Ehrungen überraschend überschaubar. Das ist zwar kein Preisargument, aber aus Jurysicht befriedigender, als eine etablierte, dutzendfach gewürdigte und auch im Rahmen des Geisendörfer-Preises bereits geehrte Reihe wie beispielsweise „Die Sendung mit der Maus“ (WDR) auszuzeichnen. Die eingereichte Ausgabe (Buch und Regie: Birgit Quastenberg) knüpfte an einen einige Jahre zuvor ausgestrahlten Film über einen Obdachlosen an, der nun eine eigene Wohnung beziehen darf. Das Porträt entwickelt sich jedoch in eine völlig andere Richtung: Erik nennt sich jetzt Katja. Aus Kreisen, die sich selbst als rechtskonservativ bezeichnen würden, gab es nach der Ausstrahlung pseudowissenschaftlich fundierte Proteste gegen diesen angeblich gender-ideologisch motivierten Indoktrinierungsversuch. Das erhöhte zwar die Sympathie für den Beitrag, änderte jedoch nichts an der Kritik: Der frühere Stadtstreicher taugt nicht als Identifikationsfigur für Kinder. Auch die Vermischung von Obdachlosigkeit und Transsexualität funktioniert nicht, weil der Film in der Kürze der Zeit keinem der beiden Themen gerecht wird, zumal bedeutende Fragen offen bleiben; stattdessen wird viel Zeit auf Kleidung und Kosmetik verwendet. Das sind für Katja natürlich wichtige Aspekte, aber die Jury hätte gern gewusst, ob Eriks frühere Schwierigkeiten, in der Gesellschaft zurechtzukommen, mit dem Leben im falschen Körper zu tun hatten. Auch handwerklich gab es Einwände: Der Reportagestil legt nahe, die gefilmten Ereignisse hätten spontan stattgefunden, aber die „erwartende Kamera“ offenbart die Inszenierung. 

 

Ebenfalls weit oben auf der Bewertungsliste stand eine Ausgabe von „Woozle Goozle“; das 2013 gestartete Magazin ist eine der wenigen Eigenproduktionen von Super RTL. Erwachsene haben zwar profunde Probleme, sich mit der ausgesprochen nervigen Klappmaulpuppe Woozle anzufreunden, aber die spielerische Kombination von Information und Unterhaltung ist hier sehr gut gelungen (Buch und Regie: Andreas Guni, Igor Hartmann): Woozle bewirbt sich als Nachrichtensprecher und liefert sich diverse Duelle mit Peter Kloeppel, der im Umgang mit der Puppe souverän, witzig und authentisch agiert. Die Einspielfilme erläutern zwar anschaulich, wie Journalismus funktioniert, sind aber auch völlig überfrachtet, zumal das sehr beliebig ausgewählte Archivmaterial meist nur wenig mit den Off-Texten zu tun hat. Abgesehen von einer etwas exotisch anmutenden Einreichung, die sich nach der vorläufigen Abstimmung den letzten Platz mit einigen anderen gleichfalls nicht weiter diskutierten Sendungen teilte, war „Woozle Goozle“ der einzige Beitrag, der nicht von einem öffentlich-rechtlichen Sender stammte. 

 

Top-Favorit nach der ersten Bewertungsrunde war eine Spezialausgabe des ZDF-Magazins „pur+“ zum Thema „Meine Eltern trennen sich“ (Buch: Ute Mattigkeit, Heike Raab, Kirstin Benthaus, Regie: Ute Mattigkeit, Anke Broszio, Florian Breithaupt). Die Sendung stellt drei Familien vor, denen es auf vorbildliche Weise gelungen ist, sich mit den neuen Gegebenheiten zu arrangieren, weshalb die dunklen Seiten des Themas – häusliche Gewalt, Väter stehlen sich aus der Verantwortung, säumige Unterhaltszahlungen – in den Gesprächen keine Rolle spielen. Auf diese Aspekte wird dafür in animierten Einspielern hingewiesen, die den Kindern zudem anschauliche Tipps geben, wie sie zum Beispiel reagieren können, wenn Väter oder Mütter versuchen, sie für ihre Interessen zu instrumentalisieren. Die wie stets von Eric Mayer angenehm moderierte Sendung verhehlt zwar nicht, dass die Trennung der Eltern ein einschneidendes Erlebnis ist, aber es war offenkundig ein redaktionelles Ziel, Mut zu machen und zu verdeutlichen: Das muss nicht das Ende der Familie sein. Kritisiert wurde allerdings, dass es sich ausschließlich um Menschen aus der gehobenen Mittelschicht handelt, die sich Wohnungen mit mehreren Kinderzimmern leisten können. Sehr angenehm ist wiederum, dass die Sendung im Unterschied etwa zu den Reportagen aus der ZDF-Reihe „37 Grad“ konsequent auf emotionalisierende Doku-Soap-Elemente verzichtet. 

 

„pur+“ hat bereits 2014 einen Geisendörfer-Preis bekommen, damals für eine Ausgabe über Vorurteile, die in der Erinnerung der Jury nicht zuletzt in dramaturgischer Hinsicht deutlich besser war. „Checker Tobi“ (BR) ist ebenfalls schon mal ausgezeichnet worden. Die preisgekrönte Ausgabe („Der Leben- und Sterben-Check“, 2017) diente gleichfalls als Maßstab für die aktuelle Einreichung, und auch in diesem Fall hielt der „Gehörlosen-Check“ (Buch und Regie: Amelie Cran, Sarah Müller) dem Vergleich nicht stand. Tobias Krell trifft sich mit mehreren Menschen, die einen Bezug zum Titelthema haben. Was nach Facettenreichtum klingt, empfand die Jury als Nachteil; die Konzentration auf eine Person hätte der Sendung besser getan. Außerdem wirft sie mehr Fragen auf, als durch die Interviews etwa mit einer Gebärdendolmetscherin beantwortet werden. Größtes Manko ist jedoch die mangelnde Nachvollziehbarkeit. Ein Selbstversuch Krells mit schalldichten Kopfhörern hätte anschaulich vor Ohren führen können, wie es sich ohne Gehör lebt und welche Gefahren zum Beispiel im Straßenverkehr lauern. Der Moderator zeichnet sich zudem in der Regel durch seinen guten Zugang zu den jeweiligen Themen aus; hier wirkt er eher wie ein Vermittler. 

 

Ungleich kontroverser wurde dennoch die ZDF-Einreichung „Geheime Schatten“ diskutiert (Regie: Stefan Westerwelle, Buch: Maike Rasch). Der handwerklich herausragende und vorzüglich gespielte Film, einer der wenigen Fiction-Beiträge, erzählt mit überzeugenden visuellen Effekten und daher stellenweise recht gruselig von Nick, einem zwölfjährigen Jungen, dessen Dasein immer düsterer wird. Es geht um Depression und Angststörungen bis hin zur Suizidgefährung. Die Themenwahl ist ebenso ungewöhnlich wie mutig, die Umsetzung (Regie, Kamera, Schnitt) bewegt sich auf einem erstaunlichen Niveau, zumal diverse Register des Horrorfilms gezogen werden, um die Innenwelt des Jungen darzustellen. Ausgerechnet im Happy End sah die Jury jedoch ein erhebliches Manko: In Nicks eingebildeter Welt wird ein Mädchen zum rettenden Engel, das dann auch als neue Mitschülerin in seine Klasse kommt. Diesen Schluss hielt die Jury für höchst problematisch: Auf diese Weise werde die wichtige Unterscheidung zwischen Halluzination und Realität aufgelöst. Auch der Umgang mit der Depression wurde kritisiert: Der sichtbar ambitionierte Film soll von einer Krankheit handeln, beschreibe aber nur eine vorübergehende Krise. Für Kinder, die tatsächlich unter Angststörungen litten, sei er trotzdem unerträglich. Mit dem Schluss sei er dann „in die Mystery-Falle getappt.“ 

 

Zuverlässig stets mehrfach vertreten ist die Kika-Reihe „Schau in meine Welt!“. In diesem Jahr waren drei Beiträge nominiert, alle kamen in die engere Wahl, aber nur einer war auch ganz zum Schluss noch im Rennen. Der Schweizer Marco Giacopuzzi ist Dauergast im Kontingent, seine Filme werden stets positiv diskutiert; 2017 ist er für sein Porträt eines autistischen Jungen ausgezeichnet worden („Jons Welt“). Mit „Sophie und die letzten Tage von Jesus“ (HR) hat er sich eines weiteren ungewöhnlichen Themas angenommen: Titelheldin Sophie und ihre Brüder gehören zu den Mitwirkenden der Passionsspiele in Oberammergau. Ein erwachsenes Publikum weiß sofort, worum es geht, aber die Zielgruppe hat natürlich erst mal keine Ahnung. Prompt war die Jury gespalten, ob der Einstieg Neugier wecke oder Verwirrung stifte. Einigkeit herrschte hingegen in der Bewertung: Wie in Giacopuzzis letztjährigem Beitrag „Die 3 und ihr Schwyzerörgeli“ (HR) geht es um die Verwurzelung von Menschen in Heimat und Brauchtum; Kinder aus dem ländlichen Raum sind im Kinderfernsehen ohnehin selten zu sehen. Aus Sicht des Geisendörfer-Preises spielt hier natürlich auch der religiöse Aspekt eine wichtige Rolle: Der Autor rückt den Glauben nicht aufdringlich in den Vordergrund, verdeutlicht aber dennoch, dass er im Leben der Kinder einen wichtigen Anker darstellt; der Film, lobte die Jury, halte „eine schöne Waage zwischen Spiritualität und Pragmatismus.“ Die gute Kameraarbeit, ein weiteres Qualitätsmerkmal der meisten Arbeiten des Schweizers, wurde ebenfalls hervorgehoben. 

 

Deutlich mehr Einwände gab es gegen „Eva und ihre Stadt Berlin“ (RBB). Claudia Kock (Buch) und Cordula Garrido (Regie) stellen eine neunjährige Berlinerin und ihre Freundinnen vor. Die Mädchen protestieren gegen die Vermüllung eines Parks; am Schluss darf Eva sogar vor der Neuköllner Bezirksverordnetenversammlung sprechen. Gerade auch dank dieses Auftritts, der den Höhepunkt bildet, wirkt das Engagement der Kinder wie eine Einführung in die politische Grundbildung. In dieser Hinsicht, lobte die Jury, sei der Film „ein tolles Beispiel dafür, dass man was verändern kann, wenn man sich traut.“ Der erwachsene Einfluss ist allerdings stets spürbar, und das gilt nicht nur für ein sehr inszeniert wirkendes Gespräch des Mädchens mit seiner Mutter. Andererseits führt die Anwesenheit eines TV-Teams zwangsläufig zu einer Verzerrung der Wirklichkeit; und das gilt nicht nur für Dokumentationen des Kinderfernsehens. Auch bei diesem Film wurde die gute Kameraarbeit betont. 

 

Wesentlich differenzierter und letztlich auch negativer wurde ein Beitrag diskutiert, der zunächst deutlich besser platziert war. Katrin Buhbut und Katja Dbus (Buch und Regie) stellen mit „Judi und Lilya – spielend befreundet in Israel“ (SWR) zwei Mädchen vor, die unterschiedlichen Glaubens, aber innige Freundinnen sind. Ausgerechnet daran hatte die Jury jedoch erhebliche Zweifel: Die Freundschaft wird zwar immer wieder betont, aber die beiden wissen erstaunlich wenig übereinander. Die Botschaft als solche wurde natürlich begrüßt: Die Religion trennt die Mädchen nicht, sie empfinden ihre verschiedenen Kulturen im Gegenteil als gegenseitige Bereicherung. Natürliche Gemeinsamkeit aber zeigt allein das Basketballtraining; ein Basarbummel oder der Besuch bei Judi daheim sind sichtbar für die Kamera arrangiert. Offenbar ist Lilya zum ersten Mal bei ihrer Freundin, richtig wohl scheint sie sich nicht zu fühlen, weshalb die Harmonie behauptet wirkt. Aus erwachsener Sicht stellt sich zudem die Frage, ob Kinder, die wenig bis gar nichts über den Konflikt zwischen Juden und Palästinensern wissen, nachvollziehen können, warum diese Freundschaft so etwas Besonderes ist. 

 

Nur theoretisch Teil des „Schau in meine Welt!“-Kosmos ist die zweite preisgekrönte Einreichung, „#Ukraine – mein Land im Krieg“. In der Doku-Reihe – im Rahmen von „Schau in meine Welt!“ ist später eine zweiteilige Zusammenfassung gezeigt worden – erzählen Kinder aus der Ukraine von ihrem Alltag im Krieg. Ihre Sicht wird ohne Moderation vermittelt; „die Authentizität ist die Stärke dieses Programms“, lobte die Jury. Die zehn Episoden handeln von Kellerverstecken und zerstörten Häusern. Die Kinder berichten von Flucht und vom Verlust geliebter Haustiere, sie sprechen über Angst und Traurigkeit; trotzdem macht die Reihe auch Mut und Hoffnung. Die Jury betrachtet „#Ukraine – mein Land im Krieg“ gerade auch aufgrund der Smartphonevideos als ein zeitgemäßes Format, um den im Frieden lebenden deutschen Kindern vor Augen zu führen, vor welche Herausforderungen Gleichaltrige durch den Krieg gestellt werden. Durch diese Art der Berichterstattung, hieß es, würden die Folgen und Auswirkungen des Krieges auch für eine junge Zielgruppe greifbar gemacht. Die Reihe wecke Empathie und Mitgefühl, sie verdeutliche, was Krieg bedeute, ohne Ängste zu schüren. Zwar wurde angemerkt, dass keins der Kinder Erfahrungen mit dem Tod oder schlimmen Verletzungen von Angehörigen oder Freunden gemacht habe, aber es ist ohnehin fraglich, ob sie so kurz nach Beginn des Krieges bereit gewesen wären, darüber zu sprechen. „#Ukraine – mein Land im Krieg“ zeigt zudem einen Blickwinkel, der in den Medien sonst nicht vorkommt. Die seit dem Start regelmäßig um weitere „Tagebucheinträge“ ergänzten Kurzfilme erfüllen eine der wichtigsten Aufgaben des Kinderfernsehens: Sie geben Kindern eine Stimme. 

 

Die Jury betonte auch den Anteil der Redaktion. Die Idee zu der Reihe ist in der Familienkoordination der ARD entstanden, die Federführung hatte Radio Bremen; HR, RBB und SWR waren ebenfalls beteiligt. Respekt gebührt zudem der Produktionsfirma blindCat Documentary. Produzentin Susanne Brahms hat das Projekt koordiniert, ohne ihre Verbindungen in die Ukraine wäre es gar nicht möglich gewesen. Mitya Churikov war der ukrainische Produzent und ebenfalls als Autor und Regisseur beteiligt. Ebenfalls ausgezeichnet wird RB-Redakteurin Michaela Herold als zuständige Redakteurin, die das Projekt mit Herzblut und Einsatz betreut; der Kontakt zu den Kindern ist bis heute nicht abgerissen. Vom ohnehin respektablen Engagement abgesehen ist auch das Tempo der Umsetzung eindrucksvoll: Die Filme waren bereits nicht mal drei Wochen nach dem russischen Angriff abrufbar. Sie sind ein vorbildliches Beispiel dafür, wie die Sender auf die veränderte Mediennutzung der Zielgruppe reagieren können. So etwas, hob die Jury hervor, sei nur möglich, weil es hierzulande ein lebendiges öffentlich-rechtliches System gebe, dessen finanzielle Möglichkeiten gerade angesichts der enormen aktuellen Herausforderungen keinesfalls eingeschränkt werden dürften. Mit den beiden Auszeichnungen will die Jury unterstreichen, dass öffentlich-rechtliche Kindermedien einen „Public Value“ und somit einen Wert für die Gesellschaft haben, weil sie den nachwachsenden Generationen jene Kompetenzen vermitteln, die nötig sind, um die anstehenden Herausforderungen zu bewältigen. Auch dafür steht der Robert Geisendörfer Preis.