Rede 2011 von Bernhard Nellessen

Grußwort 2011 von SWR-Fernsehdirektor Bernhard Nellessen

Bernhard Nellessen, Fernsehdirektor SWR

Gustavo Alàbiso

Bernhard Nellessen, Fernsehdirektor SWR

Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren!

Das Christentum und die Medien: Das ist eine lange Geschichte, eine lange Beziehungskiste auch. Nicht immer von gegenseitiger Zuneigung geprägt, aber häufig genug eine Geschichte, aus der beide Seiten ihren Profit zogen. Nicht umsonst, gelang Gutenberg mit dem Druck einer Bibel der Durchbruch.
Oder springen wir von ihm noch einmal anderthalb Jahrtausende zurück. Blicken wir auf einen Mann, der sich heute sicher durch alle Nachrichtenkanäle zappen würde, der sein Smartphone zu bedienen wüsste, dem das Telefonieren und Skypen per Internet nicht fremd wäre und der über E-Mail und Chat mit aller Welt verbunden bliebe. Dieser Mann, keine Frage, wäre auch auf Facebook präsent und in anderen sozialen Netzwerken. Ich spreche von Paulus.
Nach heutigen Maßstäben des miles and more muss er als frequent traveller, als Vielreisender gelten. Für seine Zeit war er sicher ebenso ein Technikfreak. Er probierte alles aus und setzte alles ein, was ihm das römische Imperium so bieten konnte, um mit anderen in Kontakt zu kommen oder mit ihnen in Verbindung zu bleiben. Paulus war das, was man heute einen Netzwerker nennt. Als gewiefter Kommunikator nutzte er alles, was seinen Glauben zu verbreiten half und was ihn mit Menschen zusammenbrachte. Gleichgültig wo. Und gleichgültig wie.
Fast ständig war er unterwegs. Er redete, missionierte und er diskutierte ohne Ende. Wo er nicht selbst präsent sein konnte, dorthin schrieb er Briefe. Sie gehören heute zum festen Kanon der Bibel. Doch umtriebig, wie er war, übertrieb er es manchmal auch mit der Kommunikation. Dann predigte er so lange, dass viele seiner Zuhörer vor Erschöpfung oder Langeweile einschliefen. Sie werden verstehen, meine Damen und Herren, dass wir Fernsehmacher deshalb etwas zögern, uns den Apostel in allen Punkten zum Vorbild zu nehmen.
Aber trotz dieser – berufsbedingten – Skepsis bleiben wir Journalisten Paulus nahe. Denn wir folgen einem Ratschlag, den Paulus selbst ungefähr im Jahr 50 per Brief an die junge Gemeinde in Thessaloniki sandte. In der Übersetzung Luthers findet sich dort im 5. Kapitel die klassisch gewordene Aufforderung: „Prüft alles und das Gute behaltet!“ Die Bibelkundigen unter Ihnen werden mir entgegenhalten, dass Paulus seinen Satz auf die Eingebungen des Geistes bezogen haben wollte. Ja, Christen sollen prüfen, was ihnen in den Sinn kommt, ehe sie handeln. Sie sollen aber auch kritisch hinterfragen, was ihnen von Dritten als Wahrheit angeboten wird.
Und hier treffen sich Christentum und Medien. Jedenfalls die Medien, die es ernst zu nehmen gilt und die sich selber und ihren Auftrag ernst nehmen. Auch wir öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten sind gehalten, „alles zu prüfen und das Gute zu behalten“, wie Paulus schreibt. Wir haben mit kritischer Distanz und unverstelltem Blick unsere Quellen zu prüfen und wir tragen Verantwortung für das, was wir senden. Das ist unsere Mission. Missionarisch aber, seien wir als Autoren, Moderatoren und Kommentatoren bitte nie!
Wir wollen unseren Hörern, unseren Zuschauern und den Nutzern unserer Internetangebote einen Dienst leisten. Wir wollen sie fähig machen, inmitten der täglichen Informationsflut die Orientierung zu behalten. Sie befähigen, alles zu prüfen und dann das zu behalten, was sich, im Sinne von Paulus, als gut, in unserem Sinne als wahr erweist. Und hier, wo es um Orientierung, um Wahrheit geht, sind wir Partner.
Kirchen und Medien leisten etwas, für das sich seit einigen Jahren der englische Begriff des public value eingebürgert hat, Sorge für das öffentliche Wohl. Kirchen wie öffentlich-rechtliche Medien, beide wollen wir, dass sich die Gesellschaft weiterentwickelt. Zu mehr Gerechtigkeit. Zu mehr Verantwortung. Zu mehr – ja, lassen Sie mich dieses Wort in diesem Zusammenhang bewusst gebrauchen – zu mehr Nächstenliebe. Kirche und öffentlich-rechtlicher Rundfunk: Wir sollten in diesem Dienst an der Gesellschaft an einem Strang ziehen. Das bedeutet nicht, dass wir immer einer Meinung sein müssen. Das bedeutet aber sehr wohl, dass wir uns in kritischer Solidarität begegnen. Als Partner, die wissen, was sie aneinander haben und wo sie aufeinander angewiesen sind.
In diesem Sinne freue ich mich sehr, Sie als unsere Gäste heute hier beim Südwestrundfunk in Baden-Baden begrüßen zu dürfen. Und ich darf Ihnen auch die Grüße unseres Intendanten überbringen, der leider nicht selbst an dieser Preisverleihung teilnehmen kann.
„Prüft alles und das Gute behaltet!“ Mit diesem Motto wäre eigentlich Paulus selbst ein idealer Vorsitzender der Geisendörfer-Jury. Er steht leider nicht zur Verfügung, aber er wird ja auf’s Beste durch Sie, sehr geehrter Herr Landesbischof, vertreten. Mit dem Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland soll – wie es in der Satzung heißt – „hervorragende journalistische, konzeptionelle und gestalterische Qualität“ in Hörfunk und Fernsehen gewürdigt werden.
Ich bin sicher, dass Sie in den Programmen, die wir in den vergangenen Monaten produziert haben, viele Beispiele dafür finden konnten, was public value schafft, was unsere Gesellschaft voran – was die Menschen einander näher bringt, was sie vielleicht auch auf hohem Niveau unterhält.
Ich bin gespannt, was Sie uns jetzt präsentieren werden und danke für Ihre Aufmerksamkeit.