Kehrtwende

Autor Johannes Rotter, den Regisseur Dror Zahavi und den Schauspieler Dietmar Bär, WDR 2011 (Redaktion: Fernsehfilm, Kino und Serie), Produktion: Colonia Media/Sonja Goslicki

Dietmar Bär, Johannes Rotter, Dror Zahavi (Preisträger Fernsehen), Ulrich Fischer

mck

Dietmar Bär, Johannes Rotter, Dror Zahavi (Preisträger Fernsehen), Ulrich Fischer

Begründung der Jury

Es ist ein Vorurteil zu meinen, Gewalt in der Familie wäre ein schichtenspezifisches Problem. Gewalt kommt in den besten Familien vor, und manchmal ist es ausgerechnet der nette Nachbar von nebenan, der seine Frau und die Kinder schlägt. Daran erinnern Johannes Rotter (Buch) und Dror Zahavi (Regie) in dem Film „Kehrtwende“. Der grundsympathische Dietmar Bär spielt Thomas Schäfer, der in der Schule als strenger, aber fairer Lehrer von seinen Schülern respektiert wird, zu Hause in der Familie aber bei der kleinsten Gelegenheit ausrastet. Freut sich der Sohn lautstark, dass er den Vater im Schach besiegt hat, rutscht Thomas Schäfer die Hand aus, wie er selbst sagen würde. Der Schlag ist jedoch so heftig, dass die Wunde des Sohns im Krankenhaus genäht werden muss. Auch Schäfers Frau Viola kann ihm nichts recht machen. Sie sei „das Chaos auf zwei Beinen“, wirft der Mann ihr vor, immer wieder schlägt er sie und tritt sogar auf die am Boden Liegende ein.

Wie Rotter und Zahavi das Drama der häuslichen Gewalt schildern, ist beklemmend. Sie zeigen alles: die Abhängigkeit und die Selbstverachtung der Ehefrau, die viel zu lange bei ihrem Mann bleibt, die Reue des Mannes, der sich für seine Ausbrüche schämt und sich wieder mit seiner Frau aussöhnen will; die trügerische Hoffnung, dass der gewalttätige Mann sich tatsächlich bessert; und schließlich die Saat der Gewalt, die der nachwachsenden Generation genauso zu schaffen machen wird wie den Eltern.

Wie Dietmar Bär den Thomas Schäfer mit allen Nuancen mal als Kontrollfreak und gewalttätigen Schläger, dann wieder als liebenden Mann und Vater und schließlich als engagierten Lehrer und Chorleiter glaubwürdig verkörpert, ist eine große Leistung. Selten ist der Zuschauer in einem Fernsehspiel so hin- und hergerissen zwischen der Wut auf den Täter und der Sympathie für ihn. So wird auch die Situation der Opfer verständlicher, die oft allzu leichtfertig mit der Frage konfrontiert werden: Warum habt ihr das so lange ausgehalten? „Kehrtwende“ bringt dem Zuschauer die Verstrickungen in einer gewalttätigen Beziehung schmerzhaft nahe. Regisseur Dror Zahavi und Drehbuchautor Johannes Rotter machen damit deutlich, dass es für solche Beziehungen keine einfachen Lösungen geben kann. Ein starker, unbequemer Film.